Gerade ist Hölderlin-Jahr, und die ungeheuer aktiven Grenzgänger feiern den Jubilar auf einer CD. Das Cover zeigt ihn mit Sonnenbrille, total modern sehr er aus – und das der Pressemitteilung beiliegende Zitat wirkt auch brandaktuell: „… und daß wir jetzt schlafen in unseren Krankenhäusern, diess zeugt vom nahen gesunden Erwachen.“ Ach, wär es doch nur so! Hölderlin hat ja gedichtet, die Musik mußten die Grenzgänger beisteuern, und bei ihnen klingt Hölderin nach Brecht und Weill und Kriminaltango, eine Verjüngungskur, die ihm richtig guttut, und die auch zu so wunderbaren Textstellen paßt wie „Wonne säng ich an des Orkus Toren“.
Bekannte Dinge bekommen in diesem musikalischen Gewand ganz neue Bedeutung (wie sein Text „So kam ich unter die Deutschen“), die Naturlyrik („Hälfte des Lebens“) könnte sofort auf einer Fridays for Future-Demo vorgetragen werden. Und dann das Aufbegehren, wie in „Zornige Sehnsucht“, sowas tut dringend not. Am Ende noch als Zugabe „Schwabens Mägdelein“ als schmissiges Countrystück, der alte Hölderlin konnte eben auch Ohrwürmer.
Unbedingt anschaffen, sozusagen das literarische Ereignis der Saison!
GH, im Folk-Magazin, August 2020