Wenn im Expo-Jahr alte Arbeiterlieder auf der Nordwolle zu neuem Leben erweckt werden, hat der Bremer Musiker und Autor Michael Zachcial (35) großen Anteil an der Neuauflage der Texte. Er zeichnet für die musikalische Umsetzung des Projektes verantwortlich, das auf Initiative von Hans-Hermann Precht, wissenschaftlicher Leiter des Fabrikmuseums, ins Leben gerufen wurde.
Neben Konzerten ist auch die Herausgabe einer CD mit neu vertonten historischen Liedtexten aus der Zeit zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zur Blüte der Industriealisierung geplant. Die ersten Kontakte zwischen Michael Zachcial vom Folk-Duo „Die Grenzgänger“ und Precht wurden bereits 1994 anläßlich eines „Grenzgänger“-Auftritts im Museum geknüpft.
Aktueller Bezug
Als großer Erfolg erwies sich drei Jahre später auch das Gastspiel „Die Schiffe nach Amerika“, das die beiden Musiker während des Museumswochenendes gaben. Unter dem Motto „Damals wir – heute ihr“ hatte das Duo die Spuren deutscher Auswanderer musikalisch nachgezeichnet, und den geschichtlichen Ereignissen die Situation von Einwanderern nach Europa gegenübergestellt. Ähnlich soll laut Zachcial und Precht auch das aktuelle Vorhaben „alte Arbeiterlieder“ umgesetzt werden. Seine Intention beschreibt Zachcial dabei vergleichbar mit der Konzeption des Museums: „Die Schaffung eines aktuellen Zusammenhangs zwischen Gegenwart. und Vergangenheit.“
„Dabei geht es uns nicht um ein einmaliges, ausschließlieh auf Delmenhorst bezogenes Projekt“, betonen Precht und Zachcial. Ziel sei es vielmehr, die Situation der Arbeiter zur Zeit der Industrialisierung darzustellen und mögliche Parallelen zu aktuellen Situationen aufzuzeigen, „Wir wollen die Leute aufrütteln und zum Nachdenken anregen“, umschreibt Zachcial das auch unter dem gesellschaftskritischen Aspekt zu sehende Vorhaben.
Der Start des Projekts im Spätsommer vergangenen Jahres sollte sich jedoch zunächst als schleppend erweisen. „Wir hatten lediglich zwei bis drei Fundstücke, auf die wir zurückgreifen konnten“, berichtet Precht. Auch ein öffentlicher Aufruf sowie die Suche nach alten Liedern aus der Arbeiterbewegung im Volkslied-Archiv in Freiburg erwiesen sich als. unergiebig. Fündig wurden Precht und Zachcial schließlich in den Archiven der Gewerkschaftszeitungen „Der Textilbote“, so daß inzwischen rund 50 verschiedene Liedtexte zur weiteren Bearbeitung vorliegen. Während sich Precht um Inhalte und Organisation kümmert, zeichnet Zachcial parallel für die musikalische Umsetzung verantwortlich.
Sponsoren gesucht
Neben der Tonträgeraufnahme sollen die alten Arbeiterlieder mit aktuellem Bezug im kommenden Jahr auch auf mehreren Konzerten präsentiert werden. Bis dahin hoffen Precht und Zachcial noch auf Sponsoren, so daß das Projekt auch finanziell gesichert ist. Der seit zwölf Jahren in Bremen lebende Musiker informiert auch im Internet unter www.folksong.de über zurückliegende und künftige Projekte, darunter auch über die geplante CD „Knüppel aus dem Sack“ oder „die garstigen Gesänge des Radikaldemokraten Hoffmann von Fallersleben“.
Der Artikel erschien am 18. April 1999 in „Delmenhorst am Sonntag“ (Delmenhorster Kreisblatt)